Ein Gebet über die Klage

Ein Gebet ersetzt keine Tat. Aber es gibt keine Tat, die ein Gebet ersetzt.

Ich bin die Klage

unbeugsam halte ich mich an der Hoffnung fest

stelle mich an die Seite der Ausgegrenzten

leihe den Sprachlosen meinen Mund

brülle die stummen Worte der Seele

dem schlafenden Gott ins Ohr

unerhört ist

was mir unter die Haut geht

auf dem Herzen liegt

den Atem raubt

und muss deshalb

immer wieder

gesagt

gerufen

geschrien werden

 

Ich bin die Klage

ungeduldig kralle ich mich an den alten Worten der Verheißung fest

vom Gott, der das Elend seiner Menschen sieht und hört

von seinem Heiland, der gekommen ist,

zu suchen und zu finden, was verloren ist

vom Geist der Freiheit, der lebendig macht

spanne meine Sehnsucht aus

weit genug für alle

warte zitternd

dass aus Erinnerung erlösende Gegenwart wird

schon so lange

 

Ich bin die Klage

unablässig klopfe ich an verschlossene Türen

lasse mich nicht zum Schweigen bringen

mit verzweifelten Worten

durchbreche ich Ohnmacht

fliehe aus Einsamkeit

protestiere gegen die vermeintlichen Fakten dieser Welt

bestreite ihr letztes Wort

das spricht ein*e andere

noch höre ich das Flüstern nicht

aber die Stimme kenne ich

 

Ich bin die Klage

Lichtworte des Himmels

erhellen mein Gesicht

werfen ihre Strahlen

hinter den dunklen Horizont

ich blicke auf

nichts hat sich verändert

aber alles ist anders

still

kann ich mir nun

andere Worte leihen

Trost

Zuversicht

Kraft

 

Philipp Ehlhaus

Ein Gebet ersetzt keine Tat. Aber es gibt keine Tat, die ein Gebet ersetzt.