Frieden muss gegangen werden, damit Frieden wächst

In den letzten Jahrzehnten gab es viele Friedensbemühungen, aber die Welt ist nicht friedlicher geworden. Kriegerische Konflikte haben zu immer mehr getöteten Menschen geführt und immer mehr Menschen sind auf der Flucht vor Gewalt. Ursache von Gewalt sind fast immer Mangelerfahrungen: Mangel an Zugang zu Land und Ressourcen, an gesellschaftlicher Teilhabe, Mangel an sozialer Anerkennung, aber auch Anerkennung von kulturellen, ethnischen oder religiösen Differenzen.

Friede kann beschrieben werden als eine Anwesenheit von Gesundheit, Wohlergehen, Erfolg, Fruchtbarkeit, Liebe, langem Leben, innerer Stimmigkeit und Zufriedenheit. Im jüdischen Glauben wird dies weite Verständnis von Frieden mit dem Wort „Shalom“ wiedergegeben, was bedeutet „heil sein, ganz sein, unversehrt sein“.

Friede ist beziehungsorientiert

Friede ist beziehungsorientiert, sowohl auf der persönlichen Ebene als auch auf der Ebene von Gruppen, wie z. B. Staaten und Nationen. Wer in Harmonie mit sich selbst, mit anderen und mit Gott leben kann, lebt in Frieden. Diesen inneren Frieden beschreiben verschiedene Religionen ähnlich. Der biblische Aufruf zur Selbst- und Nächstenliebe ist deutlich: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (3.Mose 19,18/Römer 13,9). Der indische Aktivist für Frieden und Gerechtigkeit Mahatma Gandhi sagte, dass ein echter innerer Friede nicht von äußeren Umständen beeinflusst werden darf. Der vietnamesische buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh lernte im Exil die innere Unausgeglichenheit und emotionale Zerrissenheit vieler Menschen im Westen kennen. Er beobachtete, dass gerade Menschen mit einer hohen Bereitschaft zu sozialem Engagement oft nicht gut mit eigenem innerem Leid umgehen können. Wenn innere Konflikte ignoriert werden, kann das  Engagement für Frieden und Gerechtigkeit destruktiv werden. Den höchsten Anspruch an Frieden stellt die Bibel mit dem Gebot der Feindesliebe nach den Worten von Jesus Christus in Matthäus 5,43-45: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen!“

Frieden ist religionsübergreifend

Frieden ist religionsübergreifend, denn alle Religionen möchten als Quelle des Friedens gelten. Die Realität über die Jahrhunderte hat jedoch gezeigt, dass religiöse Glaubensüberzeugungen immer wieder Anlass für kriegerische Auseinandersetzungen waren. Im Zeitalter der Aufklärung hatte man gehofft, dass rationales Denken eine höhere Friedensbereitschaft bewirkt. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich die politischen Kämpfe um religiöse Identitäten verschärft, so dass Religionen immer stärker mit Konflikten und Gewalt in Verbindung gebracht werden. Trotz weltanschaulicher Neutralität weiß die deutsche Bundesregierung, dass die Agenda 2030 nicht umgesetzt werden kann ohne die Religionen. So sagt Dr. Gerd Müller (Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung): „Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.“

Friede kann entstehen, wenn die Freiheit gegeben wird, anders zu sein, zu denken, zu leben oder zu handeln. Dazu gehört ein anderer Glaube, aber auch die Freiheit eines Nicht-Glaubens. Die Freiheit der Einen kann nicht weiter reichen, als die Freiheit der Anderen. Das gilt auch für die Religionsfreiheit. Heute scheinen Konflikte zunehmend religiös motiviert zu sein. Allerdings können sich unter der Instrumentalisierung von Religion andere Interessen verstecken, wie z. B. der Zugang zu Ressourcen oder der Kampf um politische Macht. Religiöser Extremismus und tiefliegende Spannungen zwischen Religionsgruppen verursachen oder verschärfen weltweit Diskriminierung, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten.

Frieden ist komplex

Friede ist komplex, denn Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Gewalt. Dies wäre ein negativer Friede, wenn beispielsweise die Waffen schweigen, weil eine Gruppe von einer anderen besiegt wurde. Diese Situation ist kein positiver Friede, verbunden mit einer Übernahme von Verantwortung für eigene Schuld, Reue und einer Versöhnungsbereitschaft. Positiver Frieden entsteht, wenn die Versöhnungsperspektive mit eingebracht wird. Damit werden Konfliktursachen betrachtet, verbunden mit der Bereitschaft, die Position der jeweils anderen Seite zu hören und zu bedenken. Versöhnung entsteht bei Verantwortungsübernahme und Reue für schädigendes Verhalten, was wiederum Voraussetzung für die Herstellung von Gerechtigkeit ist.

Friede und Gerechtigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Eine Vision davon beschreibt Psalm 85,11: „Liebe und Wahrheit haben sich verbündet. Gerechtigkeit und Frieden küssen sich!“

Frieden muss gegangen werden, damit Frieden wächst. Frieden2GO. Kleine Beiträge sind möglich und jeder Schritt zählt. Frieden2GO ist eine Einladung, eigene Schritte für Frieden und Gerechtigkeit zu gehen.

Hannah Rose