Im Anfang war das Wort – und suchte den Dialog

Nach jüdisch-christlichem Verständnis ist der Mensch kein Zufallsprodukt. Er ist von Gott gewollt. Mehr noch, er ist in das Leben hineingerufen worden (1. Mose 1,26). Im Johannesevangelium 1,1 wird die Bedeutung des Wortes noch einmal zugespitzt: Im Anfang allen Seins war das Wort.

Das Wort existiert nicht um seiner selbst willen, sondern ist auf Resonanz ausgelegt, aus der eine Antwort hervorgehen kann, damit ein Dialog entsteht.

Hören schafft Raum für Resonanz

Ein Dialog setzt allerdings voraus, dass das gesprochene Wort gehört wird und aus dem Gehörten eine Antwort erfolgt. Daher ist es nicht ohne Bedeutung, dass gerade in der Bibel vor einem wichtigen gesprochenen Wort die Aufforderung „höre“ steht. Das Wort soll zunächst bei dem/der Hörer*in ankommen und aufgenommen werden, bevor das Gegenwort, die Antwort gesprochen wird. Im Hören wird Raum für Resonanz geschaffen, in dem das Wort verweilt und reflektiert wird, bevor es zu einer Antwort kommt.

Dem folgend müsste es gelingen, konstruktive und auf gegenseitigem Respekt aufgebaute Dialoge zu führen. Doch dem ist nicht so. Daher wurde schon in der Antike das Führen von Dialogen als Kunst angesehen, die unterrichtet wurde. Nach Sokrates hat ein Dialog das Ziel, eigene und fremde Gewohnheiten, Annahmen, Wertvorstellungen, Denk- und Verhaltensweisen zu erkunden, um so zu einem tieferen Verständnis meiner selbst und meines Gegenübers zu kommen. Dies beinhaltet die ständige Reflexion von Vorurteilen und deren Korrektur.

Damit erhält ein Dialog eine Wirkkraft, die auf die Transformation beider Dialogpartner zu einem besseren (und friedlichen) Miteinander ausgelegt ist.

Nachdem Sokrates die Grundlage für einen konstruktiven Dialog gelegt hatte, wurde von der Antike bis zur Gegenwart untersucht, warum Dialoge im Sinne einer Transformation der eigenen Persönlichkeit und des/der Dialogpartner*in nicht gelingen bzw. wurden Strategien entwickelt, wie sie gelingen können.

Vier Schritte zu einem guten Dialog

William Isaacs hat in den 1990er Jahren daran geforscht und beschreibt vier Schritte zu einem guten Dialog (Dialog als Kunst, gemeinsam zu denken. Köln, 2002):

  • Zuhören: das Gehörte auf sich wirken lassen und dem Schweigen Raum geben.
  • Respektieren: Verzicht auf jede Form von Abwehr, Schuldzuweisung, Abwertung oder Kritik gegenüber den Dialogpartnern.
  • Suspendieren: sich selbst freistellen, um eigene Gedanken, Emotionen und Meinungen unbelastet zu erkennen und zu beobachten, ohne dabei einer Fixierung oder einem Vorurteil zu verfallen.
  • Artikulieren: die eigene, authentische Sprache und das Aussprechen der eigenen Wahrheit finden.

Die verschiedensten Dialogformen, die ausgehend von Sokrates entwickelt wurden, haben eines gemeinsam: sie wollen ein konstruktives und friedliches Miteinander der Dialogpartner*innen fördern. Darin liegt die Annahme, das Frieden, sei er individuell oder global, nur erreicht werden kann, wenn ein Dialog bereits in den Worten ohne Gewalt auskommt, diese mit Bedacht ausgewählt werden und der Dialog aus einer wertschätzenden inneren Haltung zu mir selbst und zum Gegenüber stets neu eingeübt und gelebt wird.

Thomas Wojciechowski