Rassismus im Missionswerk? Natürlich nicht.

Davon sind wir weit entfernt. Diese Antwort möchte ich am liebsten geben. Doch ich spüre mein Unwohlsein. Rassismus gibt es in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen und Strukturen. Warum sollte ein Missionswerk davon ausgenommen sein?

Wenn wir in die Vergangenheit schauen, dann gab es aus heutiger Perspektive klaren Rassismus. Die Menschen im Bereich unserer heutigen Partnerkirchen wurden als „arme Heiden“  bezeichnet, von denen die Missionare des Missionswerkes annahmen, dass sie ohne das Evangelium nicht gerettet sein könnten. Die damals logische Konsequenz war, dass ihnen das  Evangelium gebracht werden musste – von weißen Missionaren aus der Lüneburger Heide.

Nun mag diese Haltung begründet sein durch ein bestimmtes Kulturverständnis im 19. und 20. Jahrhundert. Und durch eine bestimmte Sicht, die Bibel zu interpretieren. Aber gerechtfertigt ist sie damit nicht.

Haben wir heute aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt?

Ich wurde 2012 nach Südafrika entsandt, weil die Partnerkirche einen Mitarbeiter mit kaufmännischen und theologischen Kenntnissen brauchte. Natürlich habe ich diesen Ruf angenommen, weil die Zeit für eine persönliche Veränderung anstand.
Weil Südafrika mich seit Jahren faszinierte. Und weil ich mich geschmeichelt fühlte, dass ich derjenige sein sollte, der eine Einrichtung unserer Partner vor dem Aus retten sollte und scheinbar konnte.

Heute frage ich mich, warum wir als Missionswerk nicht einfach Geld zur Verfügung gestellt haben, damit eine geeignete Person aus Südafrika gefunden werden konnte? Sind wir damit, und auch ich, in die Falle des Rassismus hineingeraten? War nicht vielleicht tief verborgen die Annahme vorhanden, ein Schwarzer wäre dieser Aufgabe (noch) nicht gewachsen?
Und ist das vielleicht auch der Grund, warum wir neu zu besetzende Stellen in der Geschäftsstelle nicht international ausschreiben? Nicht nur auf Leitungsebene oder in theologischen Bereichen, sondern auch für die Buchhaltung und Verwaltung. Das wäre anstrengend. Es würde eine intensive Begleitung bedeuten, um mit den deutschen Strukturen zu Recht zu kommen. Und es müsste die deutsche Sprache gelernt werden. Das alles ist sehr aufwendig. Und es ist teuer. So ist es. Hand aufs Herz: diese Argumente beinhalten einen Rassismus, den wir uns ungerne eingestehen wollen.

Auf dem Weg, es besser zu machen

Und wäre es für die Leitungsgremien nicht auch angebracht, diese divers zu besetzen und so ein Zeichen für ein angemessenes Miteinander auf Augenhöhe zu gewährleisten?
Apropos Augenhöhe: Sie ist eine von mir gern gebrauchte Redewendung in der Kommunikation mit Menschen aus anderen Kulturen. Doch gibt es sie wirklich, wenn die Grundvoraussetzungen so immens verschieden sind? Ich denke an soziale Absicherung, Einkommen, Bildung und an Reisefreiheit. Mit meinem deutschen Pass kann ich problemlos in Südafrika einreisen. Eine Südafrikanerin muss einen umständlichen Visumsantrag stellen, wenn sie nach Deutschland reisen möchte.
Gibt es in all dem nicht unweigerlich ein Gefälle und ist meine Rede von „Augenhöhe“ nicht nur ein billiger Versuch, um von rassistischen Strukturen abzulenken, die eben eine wirkliche Augenhöhe nicht zulassen?
Wie gerne würde ich sagen, dass es in unserem Missionswerk keinen Rassismus gibt. Doch das kann ich nicht. Er ist verborgen in den Strukturen und im Umgang mit unserer Geschichte. Aber wir sind auf dem Weg, zu lernen und es in Zukunft besser zu machen.

Thomas Wojciechowski