Verneigung mit Respekt

Keinen Diener machen

Hast du dich schon einmal vor einem Menschen verneigt? Ihn angeschaut, vor ihm den Kopf gebeugt, dabei den Blick gesenkt? Nein, ich meine nicht das, was die ältere Generation einen „Diener machen“ nannte. Keine Verneigung der Kinder gegenüber den Erwachsenen, der Kleinen gegenüber den Großen, der Ohnmächtigen gegenüber den Mächtigen … Keine Geste der Unterwerfung, die bestehende Machtverhältnisse von Oben und Unten nur unterstreicht und verfestigt.

Verneigen aus Freiheit

Sondern eine Verneigung, die der eigenen Freiheit erwächst. Eine Geste, die den Anderen als Gegenüber ehrt, egal wie unterschiedlich wir sind. Als Ausdruck, dass in ihr das gleiche Geheimnis wohnt, wie in mir. Wir beide zur Familie Mensch gehören. Dass mich ein Mitmensch anblickt, in dessen Gesicht sich Gott eingezeichnet hat – sein Ebenbild, ebenso wie ich. Beide zu aufrechtem Gang berufen – und deshalb beide eine Verneigung wert. Eine Verneigung, in der sich Selbstvertrauen und Vertrauen in das Gegenüber die Hand reichen und in die Augen blicken können – hin- und herschauen, wörtlich: respektieren.

Verneigen als Risiko

Eine Verneigung ist ein Risiko. Sie kann missverstanden werden. Als Ausdruck der alten Logik von Oben und Unten, von Sieg oder Niederlage, von Selbstverlust und Machtgewinn. Der Grat des Vertrauens ist schmal. Man kann abrutschen, das Gleichgewicht verlieren, muss sich abstützen. Die Plastik des Künstlers Wladimir Rudolf zeigt, wie sich dabei eine neue Achse finden lässt.

Eine Hand auf der Erde, die uns trägt. Eine Hand ausgestreckt zum Himmel, aus dem uns Hoffnung entgegenwächst. Damit wir wieder aufrecht auf die Beine kommen, einander ansehen, uns erkennen – und voreinander verneigen.

Dr. Mirjam Laaser und Philipp Elhaus