Seelsorge im Krieg – Die Arbeit eines Militärpfarrers

Es gibt Menschen, die mit Blick auf das Böse in der Welt bereit sind, sich an der Ausübung von Waffengewalt zu beteiligen und sich dafür ausbilden zu lassen. Dazu gehören Soldatinnen und Soldaten. Sie tun dies mit der Überzeugung, dass es im menschlichen Miteinander Grenzsituationen geben kann, in denen Gewaltanwendung Teil der Verantwortung ist, menschliches Leben vor schwerem Unrecht zu schützen.

Frieden braucht Sicherheit

Dabei muss es ihnen immer bewusst bleiben, dass die Möglichkeiten militärischer Mittel begrenzt sind und der Einsatz von tödlicher Gewalt nur als äußerstes Mittel in Frage kommt; dass mit militärischen Mitteln zwar ein gewisser Grad an Sicherheit gewährleistet werden kann, dauerhafter Frieden allerdings anders geschaffen werden muss. Und selbst dieser gewisse Grad an Sicherheit ist in der Regel sehr fragil, weil er unter der Spannung der Gewalt steht. Androhung von Gewalt, „show of force“ wie es im Fachjargon heißt, ist die Grundlage dieser angespannten Situation. Diese Spannung trägt auch dazu bei, dass sich die Sicherheitslage ganz schnell wieder ändern kann. Das kann frustrierend sein und belastend und macht den Dienst von Soldatinnen und Soldaten schwierig.

Seelsorge im Kriegsgebiet

Als evangelischer Pfarrer begleite ich Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst. Dabei ist das gesetzlich festgelegte Recht auf freie Religionsausübung auch unter den besonderen Bedingungen der Streitkräfte die Grundlage. Zu den zentralen Aufgaben der Soldatenseelsorge gehört die Schärfung des Gewissens im gemeinsamen Nachdenken über Gewaltandrohung und Gewaltanwendung, über Sicherheit und Frieden, über Töten und Schuld. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn ich aufgrund meiner Überzeugung auf jegliche Anwendung von Gewalt verzichte? Ich verzichte dann in einer Gefahrensituation auch auf den Schutz vor Gewalt. Dies kann ich wohl für mich so entscheiden, aber ich kann anderen mit dieser Begründung nicht jeglichen Schutz und damit einen gewissen Grad an Sicherheit vorenthalten.

Menschrechte durchsetzen

Hilfreich beim gemeinsamen Nachdenken über den soldatischen Dienst sind die Begriffe „Schutzverantwortung“, international als „responsibility to protect“ verwendet und „rechtserhaltende Gewalt“ wie er in der Friedensdenkschrift der EKD verwendet wird. Menschenrechte haben erst dann existenzielle Bedeutung, wenn sie auch durchgesetzt werden. Nicht nur in prekären Sicherheitslagen, sondern auch in einer auf Recht gegründeten Friedenssituation kann es zu Grenzsituationen kommen, wo sich die Frage nach Gewaltanwendung stellt, um Sicherheit wiederherzustellen und Recht zu erhalten.

Wenn dann Gewalt angewendet worden ist und Menschen verwundet oder gar getötet worden sind, stellt sich die Frage der Verantwortung und der Schuld. Diese Frage stellt sich aber auch dort, wo es versäumt wurde, der Schutzverantwortung nachzukommen. Der Völkermord in Ruanda bleibt ein warnendes Beispiel. Damals hätten viele Tutsis gerettet werden können, wenn die UN das Mandat und die Fähigkeiten gehabt hätte, Gewalt anzudrohen und auszuüben.

Ein durch militärische Mittel geschaffenes und aufrechterhaltendes sicheres Umfeld ist kein friedliches Umfeld; aber es kann dazu beitragen, Beziehungen zwischen Akteuren zu knüpfen, die dem Frieden dienen.

Stephan Schmid